Augen _ Blicke /
Eva Zinke _ Augenblick (Gedicht und Fotografie eines Bildes) /
Johanna Pabst _ Ein neuer Genuss des Augen_Blickes (Text und Foto) /
Barbara Lemke _ Eine Frau trägt eine Rose über die alte Brücke in Heidelberg (Gedicht) /
Andreas Naumann _ Kyudo (Foto) /
Doris Zölls _ Ein Augenblick (Text) /
Eva Zinke _ Augenblick
Augen blicken an
Senden geheime Botschaft
Herausforderung
Johanna Pabst _ Ein neuer Genuss des Augen_Blickes
„Jetzt sollten Sie mal zu einer Augenärztin gehen“ sagt meine Optikerin, die mich seit Jahren gut betreut, immer wieder mit ihrer tollen Apparatur andere Dioptrien feststellt und meine Brillengläser fachgerecht angepasst.
„Grauer Star“ diagnostiziert meine Augenärztin und endlich verstehe ich, warum mich seit einiger Zeit die Autos nachts beim Fahren so sehr blenden, dass ich fast nichts mehr sehe. Und ab und zu finde ich auch die Kurven um meine Zimmerwände nicht mehr gut und remple diese an. Dies nehme ich so zur Kenntnis, wie ich mich halt manchmal wundere, wenn beim Älterwerden wieder mal etwas anders wird als es vorher war.
Was bedeutet denn nun „Grauer Star“? Es ist eine Trübung der Augenlinse, die diese „grau“ werden lässt. Und „Star“? Da diese Krankheit zu Blindheit führen kann, bekommen die Menschen dann einen „starren“ Blick. Keine so erstrebenswerte Perspektive.
Und was bedeutet „Katarakt“, wie der Graue Star auch genannt wird? Laut Wikipedia dachte man (früher?), dass etwas „vom Gehirn herabtropft“ und die Linse dadurch getrübt wird.
Na super! Ich denke bisher immer: wenn ich mein Gehirn einsetze, habe ich mehr Durchblick. Jetzt hat es irgendwo ein Leck und trübt meinen Blick?
Blöd ist nur, dass ich (und sicher viele andere auch) die langsame Trübung gar nicht wahrnehmen, weil man ja gar keinen Unterschied mehr sehen kann, wenn es beide Augen betrifft.
Diese getrübten Linsen kann man in den meisten Fällen durch ein künstliches Linsenimplantat ersetzen. So geschieht es. Ich habe mich für die ambulante Variante entschieden: Augenklinik, örtliche Betäubung, man sitzt fast 1 Stunde in einem hübschen, grünen OP-Kittel, Plastik-Häubchen um die Haare, Plastik-Überzieher für die Schuhe und bekommt mehrmals eine Betäubung in das eine zu operierende Auge getropft.
Die Vorstellung, dass meine Augenlinse zerkleinert und entfernt und eine neue eingesetzt wird, beflügelt meine Phantasie sehr, sodass ich mir dann doch eine Beruhigungstablette geben lasse.
Augen-OPs am Fließband … irgendwann sitze ich „vorne“ und komme dran. Ein paar Vorbereitungen, ein netter Arzt und dann geht es los und ist wunderschön: es erscheint immer wieder eine andere intensive Farbe und ich bin ganz neugierig, wie es weiter geht: lila – gelb – blau – grün – rot wunderschön! Und es tut überhaupt nicht weh. Nach ca. 20 Minuten bin ich wieder draußen. Das Auge ist erst mal zugeklebt … nach einer Stunde Warten wird es kurz nochmal untersucht, ob alles ok ist und gleich wieder zugeklebt.
Am nächsten Morgen gehe ich super neugierig zu meiner Augenärztin hier um die Ecke und sie öffnet das Auge: uiiii wie hellllllll und wie bunt!!! Ganz viele Farben sind zu sehen.
Ach, so weiß ist mein Regal zuhause und ach, dieses Bild hat einen blauen Farbtupfer, statt einem grünen ….. ich bin überwältigt! Dann kneife ich das „neue“ Auge zu und schaue mit dem „alten“: bei diesem Blick ist alles mit einem starken gelbgrauen Schleier überzogen, bei dem anderen phantastisch bunt. Welche ein Geschenk!
Ich soll keine Brille mehr tragen und da ich die Augen 4 Wochen lang jeden Tag tropfen muss, gibt auch meine geliebte Wimpertusche keinen Sinn. Zurück zur Natur: mit Maske sieht man schon meinen roten Lippenstift nicht mehr, nun sind auch die Augen nicht mehr geschminkt und die hübsche Brille, als Schmuckstück für die Augenrahmung ist nun auch nicht mehr da. Mich an diese Veränderung zu gewöhnen, war eine echte Herausforderung!
Nach der tollen ersten OP bedauere ich es sehr, nur zwei Augen zu haben. Nach der zweiten OP Wochen später bin ich froh, nur zwei Augen zu haben. Beim Fließbankwarten, erzähle ich allen, wie toll die OP ist und alle kommen raus und würden mich am liebsten umarmen, so schön war es für sie. Das Personal ist begeistert: „Sie sind die erste die so positiv von der OP spricht, Sie machen allen Mut…“ Nur meine eigene OP ist dann dieses Mal leider nicht mehr so schön bunt. Es bleibt halt nichts wie es mal war.
Als dann das zweite Auge am nächsten Morgen von der Binde befreit wird, bin ich erst mal enttäuscht: ups, dass sieht ja gar nicht so gut wie das erste. Mein ehemaliger Mann, Biologielehrer, macht mir klar, dass das ganz normal ist, da das Gehirn nun ein bisschen Umstellungszeit braucht. Also doch wieder das Gehirn.
Und dann nach drei Tagen ist es so weit: es ist wunderbar, die Welt so klar, so weit, so bunt, so farbenfroh, so hell zu sehen! Und da man mit der künstlich eingebauten Linse auch die Sehschärfe korrigieren kann, brauche ich in Zukunft nur noch eine Lesebrille.
Mit den zwei wunderbaren neuen Linsen sehen meine Augen sehr gut und wie mir viele Menschen vorher schon prophezeit haben: sehe ich dann auch einige andere Stellen, zum Beispiel in meiner Wohnung, die doch mal wieder geputzt werden sollten, oder ein paar meiner Kleider, die ein paar abgetragene Stellen haben.
Nichts desto trotz bin ich sehr dankbar für die Möglichkeit der künstlichen Linsen und genieße jeden Augenblick mein helles, farbenfrohes Leben und den viel genaueren Blick.
Barbara Lemke _ Eine Frau trägt eine Rose über die alte Brücke in Heidelberg
Glaubt sie
Sie sei unsichtbar
Für schauende Augen
Wie sie da läuft
In sich
gekehrt
Verzückt
leise lächelnd
selig gar?
Oder schwebt sie nicht vielleicht?
Mit dieser Rose
Dieser zauberhaften Blüte
in ihren alten verarbeiteten Händen
Beschützt
Behütet
gehalten.
Erkannt von der Seele
Der schönen,
Der offen verborgenen.
Im Mit-Sehen
Unerkanntes
lächelndes Mit-Sein.
Andreas Naumann _ Kyudo
Andreas Naumann: Kyudo seit 1995, 2. Dan
Doris Zölls _ Ein Augenblick
Nein, im Augenblick schaue ich nichts an. Ich betrachte auch nichts, was sich gerade vor mir auftut. Meine Augen ruhen auf keinem Ding und keine Reize werden hervorgerufen, über die mein Geist nachdenken, sich eine Meinung bilden kann.
Ich kann nicht einmal sagen, dass sich mir im Augenblick etwas zeigt. Im Augenblick gibt es keinen, der etwas zeigt. Wie ein Blitz, der die Dunkelheit durchschneidet, eröffnet der Augenblick sich als Leben. Werde ich mir des Blitzes bewusst, ist er schon längst vom Himmel verschwunden. Der Blitz ist vorbei. Es bleibt nur die Erinnerung.
Der Augenblick wirft mich aus jeglicher Zeit. Vergangenheit, Zukunft, ja sogar die Gegenwart haben in ihm keinen Platz. Die Zeiten tun sich erst wieder auf, wenn meine Gedanken, das Erlebte erfassen. Mein Geist will begreifen, was geschah.
Im Grunde genommen ist der Augenblick immer da und dennoch nehme ich ihn nur in den seltensten Fällen wahr, denn zu viele Gedanken, Bewertungen liegen darauf, damit ich ihn erkenne. Tut er sich mir auf, ist er wie ein Geschenk, das mir unverhofft überreicht wird. In einem Augenblick kommt mir die Wirklichkeit zu, nimmt mich ein und erfasst mich ganz und gar. Kein Gedanke, kein Gefühl schiebt sich zwischen mich und dem Erleben. Das Leben und ich sind eins. Wirklichkeit und ich sind eins. Ich bin der Augenblick, ich bin wirklich.
Manchmal möchte man meinen, der Augenblick wäre ein Punkt. Doch das ist eine Täuschung. Einen Punkt kann ich festlegen, er hat einen Ort, wo er sich zeigt. Der Augenblick jedoch hat weder Zeit noch einen Ort. Er ist unmittelbares Sein, das sich im Moment des Erlebens nicht beschreiben lässt, denn dann wäre er nicht mehr das Erleben selbst, sondern eben nur eine Beschreibung. Mein Geist macht sich das Erleben zu seinem Objekt, analysiert es, ordnet es ein, bestimmt und reflektiert es. Damit bekommt der Augenblick eine Zeitdimension, die er jedoch im Geschehen selbst nicht hat. Damit geht dem Augenblick der Zauber des Wunders verloren. Er verblasst und wird nur zu einem Abbild. Obwohl der Augenblick mich verzaubert, mich über mich selbst hinausweist, hat mein Ich große Angst vor ihm. Im Augenblick hat mein Ich keine Kontrolle über das Erlebte, es muss sich dem Gegebenen hingeben. Es ist wie der Sprung in einen Brunnen, bei dem ich nicht weiß, wo ich aufkomme.
Mein Ich versucht daher, dem Augenblick einen Ort zu geben und wenn es nur das Blinzeln eines Auges ist, das es ermessen und verorten kann. Damit will es sich versichern, ein Augenblick wäre kurz. Es bettet ihn in die Zeit ein, um scheinbar die Bestimmung und Herrschaft über das Leben in Händen zu halten. In dieser Illusion fühlt es sich geborgen, dort ist es beheimatet. Der Augenblick ist jedoch nicht händelbar, er ist das Leben, das uns über unsere Grenzen hinaushebt, uns teilhaben lässt am Unendlichen. Da uns jedoch diese Grenzenlosigkeit Angst macht, verschließen wir uns ihm sogleich, wollen unsere Unsicherheit verbergen, und lieber uns unserer Illusion überlassen, das Leben ausrichten zu können. Damit grenzen wir jedoch das Leben auf unser kleines geprägtes Verständnis ein.
Den Augenblick zu erleben, erfordert von uns auch, dass wir unsere Identitäten aufgeben, uns selbst verlieren, uns in unbekannte Gewässer begeben. Kindern fällt dies noch leicht. Sie haben sich noch nicht mit all den Zuordnungen, die sie von Außen bekommen und sich selbst geben, identifiziert. Sie erleben das Leben noch als Geschenk. Sich hinzugeben und nicht selbst zu machen, verlangt von unserem Ich Macht, Können und Selbstbestimmung abzugeben. Es ist dem Sterben gleich, bei dem uns auch alle Macht genommen wird. Daher ist es für uns eine große Herausforderung, den Augenblick zu leben, ihn zu genießen und das Leben unmittelbar zu leben. Das Leben ist der Augenblick. Er verlangt von uns nichts anderes als uns einzulassen auf das, was genau hier und jetzt ist, ohne Vorliebe und Abneigung.